Das Geldvermögen der Privathaushalte ist gesunken, pro Kopf liegen Österreicher beim Nettogeldvermögen jetzt aber vor den Deutschen
Das globale Geldvermögen der privaten Haushalte fiel 2022 um -2,7%, der stärkste Rückgang seit der Globalen Finanzkrise (GFC). In Österreich haben Sparer:innen höhere Verluste (-2,7%) als in der GFC (-1,5%) zu beklagen. Das geht aus dem Allianz Global Wealth Report 2023 hervor. Zu entnehmen ist diesem auch, dass die neue Liebe zu den Kapitalmärkten anhält und auch Finanzbildung weiterhin gefragt ist. Der Börsenwerte Verlags-Blog berichtet und erklärt, wie sich die Inflation auf das Geldvermögen auswirkt und wie die Allianz die Aussichten für das globale Geldvermögen beurteilt.
Nachdem das globale Geldvermögen bis 2021 drei Jahre in Folge zweistellig gewachsen war, brachte das Jahr 2022 die erwartete Zäsur. Der Angriffskrieg Russlands hat den Post-Corona-Aufschwung abgewürgt, eine hohe Inflation gebracht und Wirtschaft und Märkte unter Druck gesetzt. Die Vermögenspreise fielen auf breiter Front.
Das Ergebnis war ein kräftiger Rückgang des globalen Geldvermögens (zum Brutto-Geldvermögen zählen Bargeld und Bankeinlagen, Ansprüche gegenüber Versicherungen & Pensionsfonds, Wertpapiere (Aktien, Anleihen und Anteile an Investmentfonds) sowie sonstige finanzielle Forderungen.) der privaten Haushalte um -2,7%, der stärkste Rückgang seit der Globalen Finanzkrise (GFC) 2008. Das ergab die vierzehnte Ausgabe des "Global Wealth Report" der Allianz, der das Geldvermögen und die Verschuldung privater Haushalte in fast 60 Ländern analysiert.
Kapitalmarktliebe braucht Finanzbildung
"Hierzulande sehen wir in nahezu allen Bereichen Vermögensverluste, was angesichts der hohen Inflation keine Überraschung ist. Interessant ist aber, dass österreichische Sparer:innen frisches Geld erstmals seit zwölf Jahren wieder mehr in Kapitalanlagen als Bankeinlagen investieren", berichtet Allianz Österreich-CEO Rémi Vrignaud. Zuführungen zu Bankeinlagen wurden hier um 40,5% (auf 7,1 Mrd. Euro) reduziert, während die Ersparnisse insgesamt "nur" um 32,3% auf 16,4 Mrd. Euro sanken.
Wertpapiere dagegen wurden um 15,0% höher dotiert. Kapitalmarktprodukte an den frischen Ersparnissen lagen in Österreich damit bei 10,6 Mrd. Euro. Dazu betont Vrignaud: "Das bedeutet aber auch, dass fundiertes Finanzwissen für Privatpersonen und für Unternehmen gleichermaßen von großer Bedeutung ist - und gerade die Versicherungsbranche verfügt über wertvolle Erfahrungen und Kenntnisse, wie mit finanziellen Risiken umgegangen und langfristig Wert geschaffen werden kann."
Insgesamt stieg Österreich mit einem Netto-Geldvermögen pro Kopf von 65.330 Euro in der Rangliste der 20 reichsten Länder auf Platz 18 und tauschte den Platz mit Deutschland (Geldvermögen pro Kopf, siehe Tabelle). Das Brutto-Geldvermögen der österreichischen Haushalte sank 2022 um -2,7% und übertraf damit sogar die Verluste während der Finanzkrise (-1,5%). Im Vergleich zum Jahr vor der Pandemie 2019 ist das Geldvermögen immer noch um 9,4% höher - allerdings nur nominal. Inflationsbereinigt sind die österreichischen Sparer:innen "ärmer" als vor der Pandemie, da ihr Vermögen -3,3% an Kaufkraft verloren hat. Das Wachstum der Verbindlichkeiten verlangsamte sich auf 2,7%, nach 4,0% im Jahr 2021. Das Netto-Finanzvermögen schließlich ging um -4,6% zurück und der Rückgang lag damit ebenfalls über dem bisherigen "Rekord" von -4,2% im Jahr 2008.
Nettogeldvermögen pro Kopf, 2022 in Euro
Globales Geldvermögen 2022: 233 Billionen Euro
Die Wachstumsraten der drei großen Anlageklassen unterschieden sich bei gobaler Betrachtung deutlich. Während Wertpapiere (-7,3%) und Versicherungen/Pensionen (-4,6%) starke Rückgänge verzeichneten, zeigten Bankeinlagen mit +6,0% ein robustes Wachstum. Insgesamt gingen Finanzanlagen im Wert von 6,6 Billionen Euro verloren, das gesamte Geldvermögen belief sich Ende 2022 auf 233 Billionen Euro.
Am stärksten war der Rückgang in Nordamerika (-6,2%), gefolgt von Westeuropa (-4,8%). Asien hingegen verzeichnete - mit Ausnahme Japans - noch relativ starke Wachstumsraten. Auch in China wuchs das Geldvermögen mit einem Plus von 6,9% kräftig. Verglichen mit dem Vorjahr (+13,3%) und dem langfristigen Durchschnitt der letzten 20 Jahre (+15,9%) war dies jedoch eine eher enttäuschende Entwicklung - die wiederholten Lockdowns forderten ihren Tribut.
Bruttofinanzvermögen, in 2022 in Billionen Euro plus jährliche Veränderung in %
Teuerung international nun klar sichtbar, aber vor Corona-Niveau
Trotz der herben Verluste lag das weltweite Geldvermögen der privaten Haushalte Ende letzten Jahres nominal immer noch um fast 19% über dem Stand von 2019 vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Inflationsbereinigt reduziert sich dieser Zuwachs allerdings auf magere 6,6% in drei Jahren, d.h. zwei Drittel des (nominalen) Wachstums fielen den Preissteigerungen zum Opfer. Während die meisten Regionen zumindest ein gewisses reales Wachstum bewahren konnten, ist die Situation in Westeuropa anders: Alle nominalen Zuwächse wurden ausradiert, das reale Geldvermögen sank gegenüber dem Jahr 2019 um -2,6%.
„Jahrelang haben sich die Sparer:innen über die Nullzinsen beschwert", sagt Ludovic Subran, Chefvolkswirt der Allianz. "Doch der wahre Feind der Sparer:innen ist die Inflation. Und das nicht erst seit dem Inflationsschub nach Covid-19. In Österreich zum Beispiel hat sich das nominale Vermögen pro Kopf in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht. Inflationsbereinigt liegt der Zuwachs nur noch bei weniger beeindruckenden 36%. Dies unterstreicht die Notwendigkeit intelligenten Sparens und größerer finanzieller Kompetenz. Aber die Inflation ist ein schwer zu besiegendes Biest. Ohne Anreize und Subventionen für langfristiges Sparen werden es die meisten Sparer:innen schwer haben."
Bruttofinanzvermögen, nominale vs. reale Entwicklung (indexiert, 2019=100) und durchschnittlicher VPI (2020-2022, in %)
Kein Rückenwind, aber Stabilisierung
Nach dem Rückgang im Jahr 2022 dürfte das globale Finanzvermögen im Jahr 2023 wieder ansteigen. Dafür spricht vor allem die (bisher) positive Entwicklung an den Aktienmärkten. Insgesamt erwarten wir einen Anstieg des globalen Geldvermögens um rund 6%, auch unter Berücksichtigung einer weiteren "Normalisierung" des Sparverhaltens. Bei einer globalen Inflationsrate von rund 6% im Jahr 2023 sollte den Sparer:innen ein weiteres Jahr mit realen Verlusten auf ihren Geldvermögen erspart bleiben.
„Die mittelfristigen Aussichten sind jedoch eher gemischt", so Kathrin Stoffel, Mitautorin des Berichts. „Es wird kein geldpolitischer oder wirtschaftlicher Rückenwind zu spüren sein. Das durchschnittliche Wachstum der Geldvermögen dürfte sich in den nächsten drei Jahren zwischen 4 und 5% einpendeln, wenn man von durchschnittlichen Aktienmarktrenditen ausgeht. Doch wie das Wetter, das im Zuge des Klimawandels immer extremer wird, sind in der neuen geopolitischen und wirtschaftlichen Landschaft mehr Marktschwankungen zu erwarten. Normale Jahre könnten eher die Ausnahme werden."
Maßhalten ist angesagt
Die Zinswende war auch auf der Passivseite der Bilanzen der privaten Haushalte deutlich zu spüren. Nachdem die globale Privatverschuldung 2021 noch um 7,8% gestiegen war, schwächte sich das Wachstum im vergangenen Jahr deutlich auf 5,7% ab. Der stärkste Rückgang war in China zu verzeichnen: Das Schuldenwachstum von +5,4% 2022 war das niedrigste Wachstum seit Beginn der Aufzeichnungen.
Insgesamt beliefen sich die Verbindlichkeiten der privaten Haushalte weltweit Ende 2022 auf 55,8 Billionen Euro. Da sich der Abstand zwischen Schulden- und Wirtschaftswachstum auf 3,9 Prozentpunkte vergrößert hat, ist die globale Schuldenquote (Verbindlichkeiten in Prozent des BIP) um mehr als 2 Prozentpunkte auf 66,1% gesunken. Damit liegt die globale Schuldenquote der privaten Haushalte wieder ungefähr auf dem gleichen Niveau wie zu Beginn des Jahrtausends - ein bemerkenswertes Maß an Stabilität, das kaum zu dem weit verbreiteten Narrativ einer in Schulden ertrinkenden Welt passt.
Allerdings haben sich die Verhältnisse auf der Weltschuldenkarte stark verändert. In erster Linie ist die Entwicklung in den Industrieländern durch Stabilität gekennzeichnet. In den meisten Schwellenländern hingegen sind die Schuldenquoten in den letzten zwei Jahrzehnten stark gestiegen. An der Spitze der Liste steht China, wo sich die Quote auf gut 61% mehr als verdreifacht hat.
Finanzielle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten (brutto) nach Ländern, 2022
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