Theorie der Reflexivität von George Soros

Hast du schon einmal von der Theorie der Reflexivität von George Soros gehört?
Er entwickelte diese im Laufe seiner aktiven Hedgefonds-Karriere.
Sie war die Grundlage seiner jahrzentelangen Outperformance.

Die Vorgeschichte

Der US-amerikanische Hedgefonds-Manager George Soros ist vielen ein Begriff. Er wurde unter anderem berühmt durch seine Wette gegen die Bank of England und das britische Pfund im September 1992. Mit dieser Währungsspekulation machte er quasi über Nacht mit seinem 1969 gegründeten Quantum Fonds einen Gewinn von 1 Mrd. US-Dollar. Er erwirtschaftete mit seinem Hedgefonds eine jahrzehntelange Durchschnittsrendite von 30% pro Jahr. Dies und seine philanthropischen Tätigkeiten machten ihn in der breiten Öffentlichkeit bekannt.

Doch eigentlich wollte George Soros (geboren György Schwartz) ursprünglich Philosoph werden. Er studierte nach seiner Flucht aus Ungarn an der London School of Economics and Political Science neben Wirtschaftswissenschaften auch Philosophie. Unter anderem bei dem österreichisch-britischen Philosophen Karl Popper. Dessen Konzept einer offenen Gesellschaft beeinflusste Soros so stark, dass er später auch einige Gesellschaften danach benannte. Unter anderem seine Stiftung, die „Open Society Foundations“.
Die Forderung Poppers nach dem Widerlegen vorhandener Theorien munterte Soros dazu auf, die vorhandenen Theorien in der Finanzwissenschaft zu hinterfagen und zu falsifizieren.

Auf Grundlage der Ideen und Inspiration von Popper entwickelte Soros also seine Theorie der Reflexivität. In seinem 1987 erschienen Buch "Die Alchemie der Finanzen: Wie man die Gedanken des Marktes liest" erklärte er das erste Mal seine philosophische Theorie. Weitere Vorträge dazu folgten, unter anderem bei seiner von ihm selbst gegründeten Central European University.
 

Die Theorie

Doch was genau sagt seine Theorie aus? Die Reflexivitätstheorie von George Soros besagt, dass Investoren ihre Entscheidungen nicht auf der Grundlage der Realität treffen, sondern auf ihrer Wahrnehmung der Realität. Durch die dadurch entstehenden Handlungen verändern sie wiederrum die Realität. Es kommt somit zu einem Rückkopplungseffekt.
Ein sich selbst erfüllender Kreislauf also, indem die Wahrnehmungen der Marktteilnehmer die Grundlagen der Wirtschaftstätigkeit beeinflussen, was wiederum die Wahrnehmungen der Marktteilnehmer beeinflusst.

Wir reagieren immer auf unser Umfeld, aber unsere Reaktionen darauf haben meistens keinen Einfluss darauf. Bei den Finanzmärkten ist das anders, denn wir sind "der Markt". Jeder einzelne Marktteilnehmer trägt seinen Beitrag zur Marktentwicklung. Unsere Reaktionen wirken sich direkt aus, verändern die Realität und verändern so die weitere Entwicklung mit. Das macht Prognosen in die Zukunft so schwer, ja fasst unmöglich.

Die Theorie steht somit diametral gegenüber der traditionellen Kapitalmarktforschung, wie zum Beispiel der Effizienzmarkthypothese von Eugene Fama, deren Grundlage nur rational handelnde Marktteilnehmer (auch genannt Homo oeconomicus) sind und die Märkte immer im allgemeinen Gleichgewicht sind. In einem effizienten Markt ist der tatsächliche Preis eines Wertpapiers zu jedem Zeitpunkt eine gute Schätzung seines inneren Wertes.
Soros´ Theorie hingegen spricht von einem zyklischen, immer in eine Richtung übertreibenden Markt. Also alles andere als im ständigen Gleichgewicht. Die Investoren treffen nicht rein rationale Entscheidungen auf Basis der Realität, sondern auf ihrer subjektiven Wahrnehmung der Realität.

Doch wie sieht so ein Praxisbeispiel seiner Theorie aus?
 

Ein Praxisbeispiel

Wenn ich also durch meine subjektive Wahrnehmung eine schlechte wirtschaftliche Entwicklung erwarte und darauf vorausschauend die Aktien verkaufe, so verändere ich auch die betriebswirtschaftliche Situation der Unternehmen und die Gemütsstimmung der Marktteilnehmer. Denn durch meinen Aktienverkauf trage ich mit dazu bei, die Börse talwärts zu schicken. Durch die schlechte Börsenentwicklung verstärkt sich die schon vorhandene pessimistische Stimmung. Auf der einen Seite werden vermutlich noch mehr Investoren die Aktien verkaufen und den Trend somit weiter verstärken. Auf der anderen Seite schlägt diese Stimmung auch auf die Nachfrage der Konsumenten über, denn sie überlegen eventuell mehrmals, ob sie Anschaffungen tätigen. Dazu können die Unternehmen bei niedrigen Aktienkursen nicht mehr so viel Geld einsammeln und sich somit über Eigenkapital finanzieren, das ebenfalls weiter die wirtschaftlichen Indikatoren beeinträchtigt. Das alles drückt früher oder später auf den Gewinn pro Aktie, der dann ebenfalls sinkt (siehe Grafik).
Das sinken der Gewinne wirkt sich wiederrum auf die Marktteilnehmer aus, die womöglich noch mehr Aktien verkaufen- bis sich dieser Zyklus wieder umdreht.

George Soros bringt auch ein Beispiel dazu im Form eines Immobilienbooms (wie zum Beispiel konkret die Subprime-Krise 2007):
"Der einfachste Fall ist ein Immobilienboom. Der Trend, der ihn auslöst, ist die leichte Kreditvergabe; es besteht der Irrglaube, dass der Wert der Sicherheiten unabhängig von der Verfügbarkeit von Krediten ist. In Wirklichkeit ist die Beziehung reflexartig. Wenn Kredite billiger und leichter verfügbar werden, nimmt die Aktivität zu und die Immobilienwerte steigen. Es gibt weniger Zahlungsausfälle, die Kreditwürdigkeit verbessert sich, und die Kreditvergabestandards werden gelockert. Auf dem Höhepunkt des Booms ist die Kreditvergabe also am höchsten, und ein Umschwung führt zu einer Zwangsliquidation, die die Immobilienwerte drückt."

Theorie der Reflexivität
Quelle: georgesoros.com