Goldrausch: Das sind die zwei wahren Gründe hinter den Rekorden beim Goldpreis
Der Goldpreis ist auf Rekordjagd. Laut Julius Bär ist das Edelmetall in ein strukturell neues Anlageumfeld eingetreten. Die Antriebsfaktoren dafür sind schwache Staatsbilanzen und die intensive Nutzung der Kapitalmärkte durch die G7-Regierungen zu Sanktionszwecken. Vor diesem Hintergrund hat die Schweizer Privatbank beschlossen, einen kleinen Prozentsatz des Portfolios in Gold zu investieren. Der Börsenwerte-Verlags-Blog berichtet.
Gold war eines der profitabelsten Anlagegeschäfte in meiner Laufbahn als Chief Investment Officer, schreibt Yves Bonzon von der Bank Julius Bär in einer aktuellen Publikation, die auch die folgenden Aussagen beinhaltet: „Nachdem ich die 1990er-Jahre damit verbracht hatte, Positionen von Kunden aufzulösen, die das gelbe Metall in den 1970er-Jahren als Absicherung gegen die Inflation gekauft hatten, kehrte mein Anlageausschuss 2003 zu einem Preis von rund 400 Dollar pro Unze zu Gold zurück, erinnert er sich rückblickend.
Wir hielten an dieser Allokation fast auf den Tag genau zehn Jahre lang fest, bis wir im Januar und April 2013 bei rund 1.600 Dollar pro Unze in zwei Schritten ausstiegen. Zu diesem Zeitpunkt kamen wir zu dem Schluss, dass die Liquidität, die im Rahmen der «unbegrenzten» quantitativen Lockerung der US Federal Reserve (Fed) unter Ben Bernanke generiert worden war, eher in Aktien als in Gold fliessen würde.
Zur Erinnerung: Die interessanteste Eigenschaft von Gold besteht nicht im Inflationsschutz, sondern darin, dass es kein Gegenparteirisiko hat, wenn es in physischer Form gehalten wird. Im Jahr 2013 hatten wir gerade die globale Finanzkrise von 2008 und die Schuldenkrise in der Eurozone von 2011 und 2012 hinter uns gelassen, so Bonzon. Das systemische Risiko war von der Fed und der Europäischen Zentralbank (EZB) erfolgreich eingedämmt worden. Also zogen wir uns komplett aus Gold zurück, in dem Glauben, dass wir für den Rest meiner Karriere nie wieder in das Edelmetall investieren würden, und konzentrierten uns auf Aktien, unsere strate-gisch bevorzugte Anlageklasse.
Danach fiel der Goldpreis bis Ende 2015 auf 1.050 Dollar pro Unze, bevor er sich von 2020 bis 2023 in einer Spanne zwischen 1.600 Dollar und 2.100 Dollar einpendelte (siehe Grafik). Vor dem Hintergrund der abrupten Normalisierung der Zinssätze in den Jahren 2022 und 2023 gab es gemäß Bonzon keinen Grund, einen Ausbruch aus diesem Kanal nach oben zu erwarten.“
Unterschiedliche Motive der Nicht-G7-Investoren
Inzwischen gibt es aber deutliche Anzeichen für eine strukturelle Veränderung des Anlageumfelds, die laut Bonzon von zwei fundamentalen Kräften angetrieben wird: zum einen vom Rekorddefizit des US-Haushalts in einer Zeit der Vollbeschäftigung und zum anderen von der zunehmenden Instrumentalisierung des Finanzsystems durch die US-Regierung, um Länder zu sanktionieren, die nicht mit der Aussenpolitik Washingtons übereinstimmen.
Dies wird aus Sicht von Bonzon durch den Bruch der etablierten historischen Korrelationen zwischen Gold und dem US-Dollar sowie zwischen Gold und den US-Realzinsen belegt. Die verfügbaren Daten über den Goldmarkt zeigen, dass die jüngsten Goldkäufe nicht aus dem Westen stammen. Der größte Teil der Käufe kommt aus China, sowohl von öffentlicher als auch von privater Seite.
Die Opportunitätskosten des Goldbesitzes sind aus chinesischer Sicht natürlich ganz anders als aus unserer Sicht, da die Zinsen auf einem Rekordtief liegen und das Land in eine Bilanzrezession eingetreten ist, was mit einem Deflationsrisiko und systemischen Risiken für die chinesischen Haushalte einhergeht. Seit 2022 hat China 674 Tonnen Gold angehäuft und gleichzeitig seine in US-Staatsanleihen geparkten Reserven um rund 169 Mrd. Dollar reduziert.
Unter den anderen Ländern, die Gold kaufen, stechen die Türkei, Polen, Singapur und natürlich Indien hervor, aber auch Ägypten, Katar und der Irak. Für die meisten dieser Investoren ist wohl der Erhalt ihres Kapitals wichtiger als die Rendite darauf. Mit anderen Worten: Der rationale Preis unterscheidet sich für sie grundlegend von dem für US-amerikanische, europäische, australische oder japanische Anlegerinnen und Anleger.
Es ist nach Einschätzung von Bonzon auch festzustellen, dass die Kapitalströme der G7-In-vestoren (Deutschland, Frankreich, Gross-britannien, Italien, Japan, Kanada und die USA) keine Anzeichen eines Korrelationsbruchs mit den Variablen aufweisen, die in der Vergangenheit für die Erklärung der Goldpreisschwankungen relevant waren.
Einführung von Gold als strategische Anlage
Als Reaktion auf diese zwei unterschiedlichen Situ-ationen der westlichen und nichtwestlichen Anle-gerschaft hat Julius Bär beschlossen, im hauseigenen Multi-Asset-Portfolios in zwei oder drei Schritten einige Prozentpunkte in Gold zu investieren. Konkret hat man damit begonnen, diese Position mit einer ersten Tranche von 1% aufzubauen. Gleichzeitig wird man ab dem 1. Juli die strategische Allokation in Hedgefunds von 5% auf 2% reduzieren und die verbleibenden 3% der Quote für alternative Anlagen Gold zuweisen.
Außerdem hat die Privatbank im dynamisch verwalteten, rein aus börsengehandelten Fonds bestehenden Mandat 1% in Gold, 0.5% in Silber und 0.5% in Bitcoin investiert. Diese drei Vermögenswerte profitieren strukturell von der Nachfrage nach Vermögenswerten ausserhalb der Reichweite westlicher Regierungen, die das zentralisierte Finanzsystem zu Sanktions-zwecken nutzen können.
Zwischen 2003 und 2013 hielt Julius Bär Gold als Schutz vor endogenen systemischen Risiken im Zusammenhang mit dem Bankensystem und dem Euro. Heute ist man wieder im gelben Metall investiert, um auf ein exogenes systemisches Risiko zu reagieren. Dieses entsteht laut Bonzon durch die Reaktion der G7 auf die geopolitische Realität einer nunmehr multipolaren Welt, die durch eine erhöhte strukturelle Nachfrage nach Vermögenswerten ausserhalb ihrer Reichweite gekennzeichnet ist.
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