Speziell für die Herren Mitterlehner & Kern
unser Austria Börsenbrief Leitartikel Nr. 09/2017
Sehr geehrter Herr Kern, sehr geehrter Herr Mitterlehner,
Österreich ist das Letzte. Ich weiß, das hören Sie nicht gern und es stimmt zum Glück ja auch nur in einem bestimmten, aber sehr wichtigen Bereich der Wirtschaft, der sehr viel mit Arbeitsplätzen zu tun hat: Der Börse.
Die Schweizer Großbank Credit Suisse untersucht alljährlich die Entwicklung der Weltbörsen, und ist in ihrer jüngsten Studie – veröffentlicht unter anderem im „Standard“ vom 28. Februar auf Seite 15 – zu dem für Österreich wenig schmeichelhaften Ergebnis gekommen, dass Wien bei längerfristiger Betrachtung der schlechteste Börsenplatz der Welt ist. Stimmt, das ist für den Zeitraum 1900 bis 2016 berechnet, und in diesen fallen ja einige weniger erfreuliche Ereignisse. Aber andere Länder, in denen auch Krieg und Naziherrschaft waren, stehen weitaus besser da – zum Beispiel Italien, Frankreich und Deutschland.
Welches ist das Problem, das Ihnen momentan die größten Sorgen bereitet? Darf ich raten? Es ist die hohe Arbeitslosigkeit in unserem Land und ich weiß, dass das kein Lippenbekenntnis ist. Sie meinen es beide ernst. Deutschland, unser wichtigster Handelspartner, erfreut sich eines wachsenden Beschäftigungsgrades. Bei uns wächst die Arbeitslosigkeit. Warum? Darf ich Ihnen dazu eine Information geben: 440.000 Arbeitsplätze in unserem Land stehen in direktem oder indirektem Zusammenhang mit der Börse. Einer Börse, die international... Sie wissen schon. Aber schlechte Nachrichten haben immer auch ihr Gutes: Schlechter als Letzte können wir ja nicht mehr werden, und wenn etwas wirklich mies läuft, dann gibt es immer ein großes Verbesserungspotenzial. Das gibt es tatsächlich bei uns. Es liegt nämlich keineswegs an den Unternehmen, dass die Sache mit der Börse so schlecht läuft. Es liegt an den Rahmenbedingungen, die Sie, Herr Kern, und Sie, Herr Mitterlehner, jederzeit ändern können.
Es beginnt wie immer mit der Besteuerung. Die Politik hat vor wenigen Jahren die Besteuerung von Dividenden von 25 auf 27,5 Prozent angehoben und die dümmste Besteuerung von Aktiengewinnen eingeführt, die man sich denken kann: Vorher waren Aktiengewinne, die innerhalb eines Jahres erzielt wurden, mit 50 Prozent besteuert. Wer langfristig Aktien gehalten hat, musste hingegen keine Steuer bezahlen. Damit wurden jene, die der Wirtschaft kontinuierlich Geld zur Verfügung gestellt (und damit Arbeitsplätze gesichert) haben, belohnt, Spekulanten hingegen ordentlich besteuert. Mit der Einführung einer generellen Besteuerung von 27,5 Prozent wurden dann die Spekulanten belohnt, die ersparen sich bei kurzfristigen Trades jetzt nämlich 22,5 Prozent. Wer Aktien hingegen, zum Beispiel für die Altersvorsorge, langfristig hält (und damit ja auch stärker durch die Inflation verliert), wird hingegen bestraft. Es werden auf diese Weise nämlich auch nominelle Gewinne besteuert, die real eigentlich Verluste sind. Führen Sie also bitte wieder die alte, „gerechtere“ und vor allem praxisnähere Besteuerung ein: 25 Prozent auf Dividenden, 50 Prozent auf Spekulationsgewinne.
Ich möchte Sie dabei auch an eine interessante Einnahmequelle fürs Budget erinnern: Wenn es gelingt, mehr Inländer für Aktien zu gewinnen, dann kassiert der Fiskus dadurch höhere Steuern. Derzeit befindet sich der Großteil des österreichischen Streubesitzes nämlich in ausländischen Händen, die Dividenden fließen ins Ausland. Reformen würden sich also jedenfalls rechnen: Aus den 440.000 von der Börse gesicherten Arbeitsplätzen können auf diese Weise 500.000, 600.000 oder mehr werden und mehr inländische Aktionäre bedeutet auch, mehr Geld für den Fiskus.
Es würde mich freuen, von Ihnen zu hören.
Franz C. Bauer
PS: Die Redaktion des Austria Börsenbriefes schickt diese Ausgabe an Bundeskanzler Kern, Vizekanzler Mitterlehner sowie die Klubobleute der Parlamentsparteien. Über allfällige Reaktionen werden wir gerne berichten.
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