Megaproblem Wachstumsschwäche: Müssen Deutsche und Österreicher wieder mehr und härter schuften – die Daten sagen ja, was meinen Sie?
Deutschland und Österreich gehören zu den Schlusslichtern, wenn es um den Arbeitseinsatz und die Arbeitsstunden pro Einwohner geht. Erfahren Sie, warum laut M.M.Warburg unsere träge Arbeitskultur eine der Hauptursachen für das schwache Wirtschaftswachstum ist und wie wir dieses Problem lösen können. Der Börsenwerte-Verlags-Blog berichtet über die kontroverse Debatte zu Arbeitsmoral und Produktivität in Deutschland und Österreich.
Die Skepsis gegenüber dem Begriff Wachstum hat in volkswirtschaflticher Hinsicht in Deutschland und sicherlich auch in Österreich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Einher geht das mit einer ausgeprägten Wachstumsschwäche in den beiden genannten Ländern.
Die Volkswirte von M.M.Warburg & CO argumentieren in einer aktuellen Studie aber, dass es ohne Wachstum keinen staatlichen Gestaltungsspielraum gibt und es auch nicht gelingen kann, gesteckte ökologische sowie soziale Ziele zu erreichen.
Neues Wachstum in Deutschland – eigentlich ziemlich einfach!
In der zitierten Publikation geht die deutsche Privatbank vor diesem Hintergrund der Frage nach, wie es gelingen kann, in Deutschland künftig wieder mehr Wachstum zu generieren als zuletzt (Anmerkung der Redaktion: die angestellten Überlegungen lassen sich aus unserer Sicht auch auf Österreich übertragen). Dazu beschäftigen sich die Autoren zunächst mit den Gründen für die extreme deutsche Wachstumsschwäche. Der Schluss dazu lautet, dass die Antworten dazu von Seiten von Volkswirten vergleichsweise homogen und eindeutig ausfallen. Deutschland wird als extrem bürokratisch, überreguliert und wenig digitalisiert wahrgenommen, die Steuern und Abgaben sind zu hoch, das Bildungsniveau ist zu niedrig.
Es gibt zu wenige Ingenieure, zu wenig Physiker und zu wenig Chemiker. Die Zahl relevanter, hochwertiger Patente pro Einwohner sinkt, Fähigkeiten in Schlüsseltechnologien gehen zunehmend verloren. Es wird zu wenig investiert und zu viel umverteilt, die Infrastruktur ist abschreckend schlecht, Genehmigungsverfahren dauern zu lange. Energiekosten sind zu hoch, die Energiesicherheit ist zu gering. Und zu allem Überfluss ist inzwischen auch noch die Stimmung depressiv.
Diese Liste an Mängeln und Problemen ist so deprimierend, dass man eigentlich verzweifeln kann. Doch gibt es gar keine Hoffnung mehr? Die tröstende Antwort ist die, dass es natürlich immer Hoffnung gibt. Eine Volkswirtschaft ist kein biologischer Organismus, der irgendwann zwingend dem Tod entgegeneilt. Volkswirtschaften sind vielmehr hochdynamische Systeme, die sich immer wieder neu erfinden und regenerieren können. Hier ist nichts in Stein gemeißelt – eigentlich ist innerhalb gewisser Grenzen sehr viel möglich, und deterministisch ist hier gar nichts. Der Schlüssel zum Erfolg hat laut M.M.Warburg & CO sechs Buchstaben und lautet schlicht und einfach: Arbeit!
Wir arbeiten einfach zu wenig
Die Wertschöpfung eines Landes hängt direkt mit der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden zusammen. Bei gegebener Arbeitsproduktivität kann die Wertschöpfung eines Landes mehr oder weniger direkt und proportional zum Arbeitseinsatz durch mehr Arbeit erhöht werden. Wenn Deutschland also in den letzten Jahren so wenig gewachsen ist wie kaum ein anderes wichtiges Land auf diesem Planeten, dann hängt das auch damit zusammen, dass in Deutschland extrem wenig gearbeitet wird, konstatiert M.M.Warburg.
Allerdings gibt es hier laut der Privatbank verschiedene Möglichkeiten, sich diesem Thema zu nähern. Je nach Sichtweise wird die eine oder andere Statistik präferiert, und es ergibt Sinn, sich diesem Themenkreis aus mehreren Richtungen zu nähern. Der üblichste Einstieg in die Materie ist die Betrachtung der Arbeitsstunden pro Erwerbstätigem. Hier sieht es in Deutschland düster aus – während in Deutschland pro Jahr nur etwa 1300 Stunden pro Erwerbstätigem gearbeitet werden (Österreich schneidet in dieser Hinsicht nur etwas besser ab), liegen viele Länder bei 1700 Stunden oder mehr.
Allerdings liefert diese Statistik noch kein vollumfängliches Bild, denn um zu verstehen, wie sich die Auswirkungen des Arbeitseinsatzes auf die Wohlfahrt eines Landes darstellen, ist der Blick auf die Arbeitsstunden pro Jahr pro Einwohner ebenso wichtig. Denn es macht einen Unterschied, ob es relativ zur Größe der Bevölkerung viele oder wenige Erwerbstätige gibt. Je kleiner der Quotient, umso trüber die Zukunftsaussichten eines Landes.
Leider schneidet Deutschland (sowie auch Österreich) auch in der zweiten Statistik, nämlich der Arbeitsstunden pro Jahr pro Einwohner, nicht besonders gut ab. Richtig problematisch wird es allerdings, wenn man sich die Entwicklung des gesamten volkswirtschaftlichen Stundenvolumens über die letzten 25 Jahre anschaut. Deutschland gehört hier zur Gruppe der Länder, die sich hier mehr oder weniger nur seitwärts bewegt haben – trotz extrem hoher Einwanderung. Das ist ein Sachverhalt, der weltweit mehr oder weniger einmalig sein dürfte.
Schwäche Entwicklung der Arbeitsproduktivität
Während also sehr viele Länder in den letzten 25 Jahren dadurch Wachstum generieren konnten, indem sie einfach ihr gesamtes Arbeitsstundenvolumen ausgeweitet haben, musste Deutschland sein Wachstum primär über den Anstieg der Arbeitsproduktivität stemmen – und das hat nicht geklappt, wie wir gleich noch sehen werden. Besonders enttäuschend war die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumens übrigens in den letzten zehn Jahren; kein Wunder, dass gerade in den letzten zehn Jahren das Wachstum in Deutschland bei nahezu Null lag (Anmerkung der Redaktion: ein Erklärungsansatz, der sicherlich auch für Österreich taugt).
Das Ganze wird aus Sicht von M.M.Warburg nun durch die Tatsache verschlimmert, dass auch die Arbeitsproduktivität – früher ein Paradepferd deutscher Leistungsfähigkeit – schwächelt. Es gab zwar einige wenige Länder, in denen die Entwicklung der Arbeitsproduktivität noch schwächer ausfiel als in Deutschland, jedoch wurde dort dann immerhin pro Erwerbsperson und fast immer auch pro Einwohner absolut mehr gearbeitet. Und gleichzeitig gibt es eine Reihe von Ländern, die einen dramatisch besseren Zuwachs in der Arbeitsproduktivität erlebt haben als in Deutschland (wie der Tabelle zu entnehmen ist, fällt die Entwicklung der Arbeitsproduktivität in Österreich sogar noch dürftiger aus).
Viel Humankapital bleibt ungenutzt
Man kann es aus der Sicht von M.M.Warburg drehen und wenden wie man will. Grundsätzlich gilt: Wir müssen wieder mehr und härter arbeiten. Mehr Stunden pro Woche, mehr Jahre und das bei einer höheren Partizipationsrate am Arbeitsmarkt! Wir lassen ein gewaltiges Maß an Humankapital in Deutschland nahezu unbenutzt, um es mal ganz hart ökonomisch zu formulieren.
In den 80er Jahren gab es die Gruppe Geier Sturzflug. Den Text ihres einzigen erfolgreichen Liedes kann der Studienautpor noch heute auswendig: „Ja ja ja jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt…“. Vergessen wir unsere kollektive Depression und machen es einfach mal wieder wie früher!, fordert M.M.Warburg. Und natürlich wäre es für uns interessiert zu erfahren, wie Sie als Leser:in zu diesem Thema zu sagen haben in Zeiten, in denen vielerorts beim vergötterten Modebegriff Work-Life-Balance dem Baustein Leben mehr Gewicht beigemessen wird als dem Baustein Arbeit.
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